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Schottland - August 2004 - Alba

Ein Reisetagebuch

Scotland in englischer Sprache, Caledonia für die alten Römer, Alba nennen es die Bewohner selbst, die der gälischen Sprache mächtig sind. Lauter wohlklingende Namen für ein Land, das man weit oben im Norden auf der Karte suchen muss – viele Namen, die doch nicht imstande sind, der rauen Schönheit dieses faszinierenden Landes Ausdruck zu verleihen. Es ist nicht möglich, einen Begriff für die überwältigenden Gefühle zu finden, die in einem aufsteigen, wenn man in Schottland unterwegs ist, ja kann man dieses Gefühl überhaupt in Worte fassen?

Wie diese grüne, sanfte Weite beschreiben, die trotz ihrer weich geschwungenen Berge, die im Sommer mit Wiesen und im Winter mit Schnee bedeckt sind,  schon wieder beinahe wild anmutet? Ist es diese Weite selber – ein Tal, das einem Berg folgt, und hinter dem nächsten Berg, der sich kühn in die Höhe reckt, geht es genauso weiter,  über Meilen hinweg, ohne Bäume, ohne Häuser,  die sich in den Weg stellen und den Blick ablenken. Die wenigen Ruinen von Bergbauernhöfen, als stumme Zeugen einer bewegten Vergangenheit  fügen sich wie selbstverständlich in die Gruppen von verstreuten Felsbrocken.  So kann der Geist fliegen, weit über die Hochebenen und durch die breiten Täler. Es ist beinahe zu erwarten, dass sich bei diesem Anblick eine gewisse Sehnsucht und Schwermut einstellt, wenn kein Ende in Sicht ist.

Kaum etwas vermag dieses Gefühl auszudrücken, und doch scheint es, dass die gälisch gesungenen Balladen aus längst im Nebel versunkener Zeit diesen Zauber am besten einzufangen vermögen. Sie malen die Farben, die kein Foto festhalten kann; die Farben, aus denen das Land zu bestehen scheint. Das Grün der Berge und Täler, das mit dem Silbergrau der verstreuten Felsen und dem wie ein Perlenvorhang wirkenden Nebel verfließt zu einer Farbe, die der von Stürmen aufgewühlten See an drei Seiten des Landes sehr nahe kommt. Und dann plötzlich und unerwartet zerreißt ein Sonnenstrahl die glitzernden Perlen und taucht die Landschaft in eine goldene Wärme, so wie ein wärmendes Holzfeuer die Kälte eines Herbstabends zu durchdringen vermag.

Die Farben verfließen ineinander wie die melancholischen Melodien des Volkes, welches hier eine Heimat gefunden hat, und die tanzenden Sonnenstrahlen auf tiefen Seen finden ihren Ausdruck in ausgelassenen Tänzen.

Doch nicht nur Weite und Einsamkeit finden sich in diesem herrlichen Land, denn dafür ist es viel zu vielseitig.

Zurueck

Gleich am Tag unserer Ankunft, am 14.August 2004, erhielten wir ein Beispiel für schottische Gastfreundschaft und gleichzeitig Lebhaftigkeit, das uns schmunzeln ließ.

Einige Meilen vor den Toren der Hauptstadt Schottlands  – Edinburgh – lag die Unterkunft, die wir uns für die ersten beiden Nächte unserer Reise ausgesucht hatten: Eine Farm mitten in der gewellten, zartgrünen Landschaft südlich des Meeresarms Firth of Forth.. Wir wurden aufs herzlichste von unserem Gastgeber Robert begrüßt, der so freundlich wie wortkarg war. Dennoch fühlten wir uns pudelwohl bei Keksen und duftendem Tee, der uns sogleich gereicht wurde. Das genaue Gegenstück zu seinem Herrchen war der Hund, der das Anwesen mitsamt all seiner Bewohner bewachte. Wenn wir mit dem Auto auf dem Hof rangierten, hatten wir das Kerlchen so manches Mal vermisst als er wie verrückt bellte und herum sprang. Erst als ich die Prozedur einmal außerhalb des Wagens beobachten konnte, sah ich, dass er beständig in unsere Stoßstange biß.

Zurueck

Am Morgen des nächsten Tages, am 15. August 2004, starteten wir in Richtung Edinburgh, bestens gestärkt für einen entdeckungsreichen Tag mit der wohl leckersten Kreation von Rühreiern, die mir jemals begegnet ist – verfeinert mit Lachs aus dem Loch Fyne im Westen Schottlands. Es war bereits wie ein erster Gruß der Westküste, die zum Höhepunkt unserer Reise werden sollte.

Doch an diesem Tag galt es zunächst einmal, den Verkehr in einer Großstadt zu meistern, die übersichtlich und nicht zu groß war, und nur einen einzigen Fehler hatte – alle Autos bewegten sich leider auf der verkehrten Seite. Uns blieb nichts anderes übrig, als mit dem Strom zu schwimmen, und auf diese Art und Weise gelang es uns, sogar, einen Parkplatz zu ergattern. Nun waren wir bereit für die Erkundung der Stadt.

Der Name der Stadt bedeutet „Burg“ und eben diese beherrscht auch das Stadtbild. Majestätisch thront das „Castle“ auf einem bläulich schwarzen Basaltfelsen thront, so dass es scheint, als wäre es ebenso wie der Fels aus den Tiefen der Erde gestiegen und dann erstarrt. Beim Anblick von der Princes Street aus bekommt man sofort Lust, den Berg zu erklimmen, was auch unsere erste Station unserer Stadttour wurde. Auf verschlungenen Wegen und unter flüsternden Bäumen  quer durch die Princes Street Gardens, die bei der ersten, flüchtigen Betrachtung immer den Eindruck eines breiten Flusstals vermitteln. Vom Castle erschließt sich ein herrlicher Blick über die Stadt, bei guter Sicht, wie wir sie an jenem Tag hatten bis zu den blau glitzernden Fluten des Firth of Forth, der Meeresarm, der sich nördlich von Edinburgh tief ins Land gebohrt hat.

Nach einem gemütlichen Spaziergang durch die alten Gemäuer, immer wieder von neuen überwältigenden Aussichten über das Häusermeer überrascht, wandten wir uns der Royal Mile zu, der aus vier einzelnen Straßen bestehenden königlichen Prachtmeile. Die Straße ist wohl wie keine andere in der Stadt gesäumt von einzigartigen Sehenswürdigkeiten und außergewöhnlichen kleinen Geschäften. Eben noch ragte die St.Giles Cathedral mit ihrem kronenartigen Haupt vor uns auf – alles scheint irgendwie königlich in dieser Stadt – dann fanden wir uns schon mit zwei neuen Familienmitgliedern in einem Teddy-Shop wieder… Entlang der Royal Mile, die aufgrund der vielen Festivals mehr einem Rummelplatz als einer Straße glich, gelangten wir zu ihrem Ende, welches der Palace of Holyroodhouse bildet, der Sitz der englischen Königin während ihres Aufenthalts in Schottland.

Mit schmerzenden Füßen, jedoch um den Eindruck von einer einzigartigen Stadt reicher, kehrten wir zu unserer im Gegensatz zum Stadtgetümmel schon beinahe still anmutenden Farm zurück. Doch die Ruhe währte nur so lange, bis wir vom Haushund entdeckt wurden, der unbedingt herausfinden musste, ob die Stoßstange vielleicht heute doch anders schmeckte als bei unserer Ankunft…

Zurueck

16. August 2004. Unser Weg führte uns nach einem Einkaufbummel in dem -  endlich wurde das Land einem Klischee gerecht – in Regenwolken gefangenen Edinburgh zu dem fast genauen Ebenbild. In vielen Reiseführer heißt es, Stirling sei eine Art „Edinburgh im Kleinformat“ –auch ein Basaltfelsen, der über der Stadt aufragt,  auch eine Burg darauf, die über sie wacht. Obwohl Stirling nur etwa ein Zehntel der Einwohner seines großen Bruders ausweisen kann, geht es dort nicht weniger geschäftig zu. Auf der Kopfsteinpflasterstrasse hinauf zum Castle ging es nur im Schritt-Tempo voran, Busse quälten sich aneinander vorbei wie die Yak-Karawanen auf den schmalen Bergpfaden des Himalaya. Stirling wird auch das „Tor zu den Highlands“ genannt, und ich hoffte, das alles, was uns nach dieser Sation erwartete, etwas weniger überlaufen sein würde. Dennoch fanden auch wir schließlich unseren Platz auf dem Burgplateau und bereits auf dem Parkplatz wurden wir für unsere Geduld belohnt. Vor uns erstreckte sich die Ebene vor der Stadt, und mittendrin aufragend und in Sonne getaucht das Wallace Monument, welches an den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace erinnert, der 1297 hier einen Sieg über die Engländer erringen konnte.

Unser Zimmer für diese Nacht befand sich auf einer Farm, die sich abgelegen zwischen die nun beginnenden sanften Hügel im Süden des größten Binnensees Schottlands, des Loch Lomond,  kuschelte. Dank der Launenhaftigkeit des Wetters an diesem Tag bot sich am Abend noch das Schauspiel eines wunderschönen Sonnenuntergangs, bei dem die gesamte Umgebung mit flüssigem Gold überschüttet wurde. Zum ersten Mal auf dieser Reise erhielten wir einen Eindruck von der Weite des Landes, denn diesmal stammten die tanzenden Lichtpünktchen, nicht von der nahen Großstadt sondern von flammenden Wolken über dem Horizont, die sich in den übrig gebliebenen Regentropfen gefangen hatten.

Zurueck

17. August 2004. Mit dem mehr als reichlichen schottischen Farmfrühstück und der besonderen Zugabe in Form von Enteneiern gestärkt, machten wir uns an diesem Tag auf dem Weg in die Trossachs. Der Name dieser Landschaft um Loch Katrine bedeutet soviel wie „raues, borstiges Gebiet“, doch um diesen Sinn zu erahnen, braucht man kein gälisch zu verstehen, man braucht sich nur umzuschauen. Beinahe könnte man sich verloren fühlen in diesem Meer von Farn und Heidekraut, welches die weichen Hügel lückenlos bedeckt und für einen scheinbar wärmenden Pelz sorgt… Eigentlich möchte man sich an einem solchen Morgen, an dem ein frischer Wind die aus den Wäldern aufsteigenden weißen Nebel verweht, in diesem weichen Teppich kuscheln und nur die Millionen rosa und lilafarbenen Glöckchen betrachten, die in einem Meer von Grün dahintreiben.

Genauso ließen wir uns auch treiben, immer weiter die fast menschenleere Strasse entlang, die sich durch die Farnhügel schlängelt, immer unserem Ziel, dem Loch Katrine, entgegen. Auf einmal ein anderer See auf unserer rechten Seite, dahinter ein Schloss, das aus den Bäumen emporragt, sein Spiegelbild im Wasser beinahe noch imposanter als der Anblick selbst.

Wir erreichten Loch Katrine noch vor dem allgemeinen „Sturm“ durch die Touristen und wanderten auf dem gut ausgebauten Weg am Ufer des Sees entlang. Vorbei an dem kleinen plätschernden Bach, an dem für die meisten Bustouristen der Ausflug ein jähes Ende findet, da man entsetzt feststellt, dass die verbleibende Zeit gerade noch für den Rückweg reicht. Wir hatten genügend Zeit und wanderten weiter. Es lohnt sich an diesem Loch wirklich, etwas Zeit mitzubringen, denn wo sonst führt eine angenehme Teerstrasse direkt am Seeufer entlang? Wir wanderten vorbei an einem kleinen Wunderwerk aus lilafarbener Heide und grünem Farn, blieben stehen an einem kleinen Rinnsal, das sich seinen Weg über einen Felsen bahnte, und das Heidekraut ringsherum vor Wasserperlen nur so glitzerte. Nebenbei konnten wir das Dampfschiff „Sir Walter Scott“ beim Ablegen beobachten und folgten ihm bei seinem Weg quer über den See wenigstens mit den Augen. Die weiße Dampfwolke blieb noch einen Moment in der Luft hängen und man fühlte sich in eine viel frühere Zeit zurückversetzt. 1810 erschien die  „Lady of the Lake“ von dem großen schottischen Nationaldichter Walter Scott, der sich dazu von dieser Gegend inspirieren ließ. Danach setzte der Tourismus am Loch Katrine ein und hält bis zum heutigen Tag an…!

Unser Abweichen von der Teerstraße in den angrenzenden Wald wurde mit einer wahren Großoffensive der von allen „Midgies“ genannten winzigen Mücken bestraft. Ich schaffte es gerade, die grün-goldene Stimmung im Foto festzuhalten, als ich auch schon über und über von kleinen schwarzen Punkten bedeckt war, die das anscheinend hatten verhindern wollen.

Unser anschließender Weg führte uns  über das kleine, ansehnliche Touristenstädtchen Callender, wo sich das Rob Roy Visitor Centre befand, welches an jenem Tag nur leider geschlossen war. Ansonsten findet man hier Informationen zu dieser berühmten Figur aus der Geschichte des Landes, der in dieser Gegend zu Hause war und  auch der „Robin Hood Schottland’s“ genannt wird.

Auf dem Heimweg zur Farm hatten wir uns einen Abstecher an das östliche Ufer des Loch Lomond vorgenommen, da es am folgenden Tag entlang des Westufers weiter nach Norden gehen sollte. Woher sollten wir auch wissen, dass nur kurze Zeit nach dieser Entscheidung die Welt in einer Sintflut versinken würde?

Es schüttete nicht nur aus Kübeln, sondern es waren wohl eher ganze Regentonnen, die dort oben am dunkelgrau verhangenen Himmel ausgeleert wurden. Es wäre alles nicht so schlimm gewesen, wären wir nicht auf einer Straße gefangen, auf der nicht nur das Wenden sondern sogar ein Stop am rechten – pardon – linken Fahrbahnrand unmöglich war. So ging es immer abwechselnd hinauf auf einen Hügel und gleich darauf wieder hinab auf eine Senke zu, die sich bereits selber in kleine Lochs verwandelt hatten. Es kam nicht selten vor, dass der Wagen ins Schwimmen geriet und so kämpften wir uns durch das peitschende Nass, wobei mich nicht nur einmal die Angst quälte, wir würden einfach in der nächsten vom Gegenverkehr aufgeworfenen Flutwelle stehen bleiben und den Regensturm abwarten müssen. Jedoch wir schafften es bis zu dem Parkplatz eines Besucherzentrums im nächsten Ort, wohin sich bereits einige wagemutige Wanderer geflüchtet hatten und sich nun unter dem kleinen Dach des Eingangsbereichs drängten. Im Auto neben uns veranstaltete eine völlig durchnässte Familie einen Sachenwechsel, der sie mit Sicherheit mehr Kraft kostete als die zuvor unternommene Wanderung. Wir waren jedoch auch ohne Wanderung und kalter Dusche froh, als wir schließlich den Weg zu unserer Unterkunft antreten konnten.

Am Abend dieses Tages erwartete uns noch eine Überraschung in Form einer herrlichen Abendstimmung, die wir unter den exotischen Bäumen eines kleinen Parks am Rande des Örtchens Alexandria genießen konnten.

Zurueck

Am darauf folgenden Morgen des 18. August 2004 verließen wir die Farm, um in neue Regionen aufzubrechen, die es zu erforschen galt. Unser Weg führte uns an diesem verregneten und stürmischen Morgen am Westufer des Loch Lomond immer konsequent in Richtung Norden, wo unser nächstes Ziel Invarary hieß – das kleine Städtchen am Ufer des Loch Fyne mit dem gleichnamigen Schloss, welches nach wie vor Sitz des Clanchiefs der Campbells ist. Doch zuvor mussten wir doch wenigstens einmal ein paar Schritte am Ufer des größten Binnensees Großbritanniens gegangen sein. Der kleine Parkplatz bot sich geradezu an, um schnell aus dem Auto zu springen und noch schneller wieder hineinzuhüpfen, denn das Wetter war alles andere als einladend für einen längeren Spaziergang. Keine „bonnie banks“ – keine bezaubernden Ufer für einen romantischen Spaziergang,  wie in dem bekannten Lied besungen… Stattdessen erschienen See und tief hängende Wolken in einem einheitlichen Grau, so dass man kaum erkennen konnte, wo das eine aufhörte, und das andere begann. Allein die Schaumkronen verrieten, wo sich das Wasser befand, welches vom Wind gepeitscht wurde. Lange hielten wir es an diesem Ort nicht aus und brachten unser Auto bald vor den Toren des eindrucksvollen Invarary Castle zum Stehen. Dieses Schloss, welches mit seinen dicken, dunkelgrauen Mauern und vier runden Ecktürmen ein wenig wie die Heimat von Dornröschen anmutet, ist durch eine prächtige und beeindruckende Einrichtung äußerst sehenswert. Die Führungen erschließen ganz neue Sichtweisen, oder wer wollte nicht schon immer einmal wissen, warum der Hund des Herzogs von Argyll, der hier zu Hause ist, keine seiner Pfötchen jemals in einen ganz speziellen Raum setzen wird, oder wo die Hochlandschotten trotz ihres taschenlosen Kilts ihr Handy hätten unterbringen können, hätte sie eines besessen…

Nach einem standesgemäßen Abschluss dieses Ausflugs, bestehend aus Tee und Kuchen, brachen wir nach Norden auf, wo wir durch das berühmte Tal von Glencoe in Richtung nach Ballachulish nahe Fort William gelangen wollten.

Die Geschichte von dem Massaker der Campbells an den hier lebenden MacDonalds im Jahr 1692 nahm Gestalt an, während wir der Strasse folgten, die sich wie eine silberne Schlange durch die hoch hinaufstrebenden Berge wand. Es heißt oft, es seien auf der Flucht in die winterlichen Berge im Februar jenen Jahres mehr Menschen ums Leben gekommen, als bei dem Massaker selbst, was man sich hier im Angesicht der steinigen Höhen gut vorstellen konnte. Tiefgraue Wolken zogen über den Himmel und verfingen sich dann und wann zwischen den grünlich-braun gefleckten Riesen, so dass sie vor dem düsteren Hintergrund auf einmal leicht und weiß wie Federn erschienen. Die Berge fühlen den Schmerz wohl noch nach 300 Jahren - wie silbern glitzernde Tränen rinnen zahllose Bergbäche an ihren Hängen hinab um im kargen aber sanften Grün zu versickern.

Zum ersten Mal gewannen wir auch einen Eindruck von der Größe des Hochlandes, von der Einsamkeit und was es für eine Gegend bedeutet, sehr dünn besiedelt zu sein. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn der Tank seinem letzten Tropfen zustrebt und die einzigen Orte, die man durchquert nur aus drei Farmhäuschen und einer Telefonzelle bestehen…

Unsere neue Unterkunft, die wir am späten Nachmittag erreichten, war berauschend: Nicht nur von außen eine Villa, sondern auch innen ganz im Stil eines großen, einfach prächtigen Hauses. Direkt am Ufer des mächtigen Meeresarms an der Westküste Schottlands – dem Loch Linnhe – hatten wir unsere Bleibe für die nächsten drei Tage gefunden.

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19. August 2004. Wenn ich an diesen Morgen zurückdenke, so war es als würde man aus dem einen Traum erwachen und gleich in den nächsten hineingleiten. Man konnte auf dem Bett liegend die Sonne kleine Diamanten auf das leicht bewegte Wasser zaubern sehen.

Nach einem Frühstück wie aus dem Bilderbuch starteten wir zu unserem Ausflug an diesem Tag, und gleich zu Beginn begegneten uns so viele „typische“ Bilder, dass man das Gefühl hatte, in einem Reisebildband unterwegs zu sein. Wir fuhren in Richtung Oban, nach Südwesten, und gleich nach ein paar Meilen erwartete uns die stolze Ruine des Castle Stalker, auf einer kleinen Insel, gerade wenige Quadratmeter größer als ihr eigener Grundriss. Wir stapften durch Heidekraut auf den kleinen Aussichtspunkt zu, etwas oberhalb des Wassers und genau gegenüber der Burg. Alles harmonierte in den Farben tannengrün, seewasserblau, felsengrau und wurde wie ein phantastisches Gemälde in einen Rahmen aus Zweigen der heimischen Koniferen eingefasst.

Als nächstes folgten wir einer engen, einspurigen Strasse, die uns über eine Landzunge zwischen Loch Linnhe und Loch Creran wieder zurück zum Ufer des ersteren führte. Es war wohl die Generalprobe für das nordwestliche Hochland, wo es kaum noch zweispurige Strassen gab. Nur leider hatte ich den Eindruck, dass nur immer wir es waren, die in einer der Ausweichbuchten standen und warteten… und warteten…

Wenigstens war es einem hier unmöglich, auf der falschen Straßenseite zu fahren…

Belohnt wurden wir für unsere Tapferkeit mit einem wunderschönen Ausblick auf einen kleinen, strahlend weißen Leuchtturm, der als auffällige Schönheit mitten in dem Graublau des Wassers und vor dem Hintergrund blaugrüner und von Wolkenfetzen gekrönten Berge hervortrat. Immer wieder wurden von dem Wind rauschende Farben in dieses Bild gedrängt – Montbretien und Fuchsien in leuchtenden und überwältigenden Orange-, Rot- und Rosatönen, die einen scharfen Kontrast zu der wasserblauen, kalten Harmonie des Fjords bildeten.

Ein Tag, der so begann, musste einfach einen Haken haben.

Dieser folgte dann auch bald in der Gestalt eines plötzlich aufleuchtenden Warnlichts im Armaturenbrett unseres Wagens. Wie eine züngelnde Flamme sprang es uns entgegen, worauf unsere Suche nach einer Bedienungsanleitung trotzdem  erfolglos blieb. Das es etwas mit dem Motor zu tun haben musste, ließ sich jedoch auch ohne schriftliche Erklärung feststellen. Wenigstens gab es im Handschuhfach eine Broschüre, die uns den Weg zur nächsten Vertretung unserer Mietwagenfirma wies. Und die war als einzige im Umkreis von 150 Meilen in Oban, jenes kleine Küstenstädtchen, zu dem wir gerade unterwegs und keine 5 Meilen mehr entfernt waren. Wenn es also schon geschehen musste, war es gut dass es hier war, und nicht in Inverness oder auf der Isle of Skye, welche unsere nächsten Ziele darstellten. Trotzdem war ich in so einigen Momenten an diesem Nachmittag den Tränen nah, wenn ich an unseren Urlaub dachte und daran, was für ein schöner Tag es werden sollte. Ich dachte daran, als wir in dem kleinen Büro der Werkstatt standen, von dutzenden Menschen umringt und ich mir nicht einmal mehr die Mühe machte, irgendjemanden zu verstehen. Ich wollte gar niemanden mehr verstehen. Ich dachte daran, als wir erfuhren, dass unser Wagen dort bleiben musste und wir zu dem Mann von der Werkstatt ins Auto kletterten, der uns nach Ballachulish zurückbrachte und meinte, am nächsten Morgen würde ein neues Auto vor unserer Tür stehen. Leichten Trost spendeten unsere Gastgeber, die bestürzt äußerten, sie würden uns überallhin fahren, wo wir hinwollten. Nur wollten wir gar nicht, sondern einfach erst einmal mit unserer Enttäuschung über diesen Tag allein sein. Zum Glück ließ man uns nicht lange in diesem Zustand. Schon nach kurzer Zeit klopfte es an unserer Zimmertür und unser Gastgeber teilte uns mit, dass der Herr von der Werkstatt angerufen hatte und er würde uns wieder mit nach Oban nehmen – unser Auto sei wieder in Ordnung. So fuhren wir zum dritten Mal an jenem Tag diese Strecke – bedeutende 40 Meilen, die jedes Mal länger erschienen. Tatsächlich konnten wir unseren Wagen wieder mitnehmen, rasten mit einer halben Stunde Parkzeit durch das Küstenstädtchen auf der Suche nach einem Frühstücksset mit schottischen Motiven. Zu ausführlichen Besichtigungen fehlten uns allerdings dann wirklich die Nerven und so fuhren wir bald wieder in Richtung unserer Unterkunft – zum vierten Mal an diesem Tag die Strecke Ballachulish – Oban…

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20.August 2004. An diesem Tag brachen wir auf, und in Richtung Küste zu bewegen. Mallaig sollte unser Ziel sein, von wo die Fährschiffe zur Isle of Skye starteten. Wahrscheinlich ist Skye der Höhepunkt einer jeden Schottland-Reise, denn einige befanden sich wie wir auf einer Rundreise durch das Land und hatten die „Nebelinsel“ nicht vergessen. Zitat: „Skye ist einfach… grandios!“ Ein Satz, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, zumal ich mich nach meiner ersten Schottland-Reise im vergangenen Jahr auch schon sehr auf diesen Ort freute.

Wir passierten das Glenfinnan Memorial an der Spitze des Loch Shiel auf unserem Weg zum Meer, nur mit dem Versprechen, auf der Rückfahrt anzuhalten. Die „Road to the Isles“, wie diese Strasse auch genannt wird, weil sie zur Westküste und den vorgelagerten Inselgruppen führt, trug uns immer weiter durch bezaubernde Landschaften. Es waren kaum andere Autos unterwegs, und die Weite der Landschaft war fast nicht zu begreifen. Die Strasse verläuft größtenteils parallel zu der Bahnlinie, auf der eine historische Dampfeisenbahn mit dem Namen „The Jacobite“ verkehrt, immer in Bewegung zwischen Fort William und Mallaig. Diese Bahnlinie zählt laut Reiseführerangaben zu den schönsten der Welt, und das ist sicher keine Übertreibung. Wir ließen uns an jenem Tag einfach treiben, durch die breiten Täler, begrenzt von Bergen, die ein farbenprächtiges Gewand aus grünem Gras und violetter Heide trugen.  Felsige Landschaften säumten kleine Seen, in denen sich Inseln fanden, die mit schottischen Kiefern bestanden waren, erkennbar an dunklen Rot und Braun der Stämme, hoch oben in der Luft gekrönt mit einem Schopf aus berauschenden Dunkelgrün. Sicher entging ihnen keiner der Touristen! Nachdem wir uns durch einen dichten Wald auf einspuriger Straße gekämpft hatten – nicht ohne mitten im kuscheligen Grün einer leuchtend roten Telefonzelle zu begegnen – gelangten wir an das Meer, das hier im Sound of Arisaig an das Land stieß.

Der Anblick ließ uns einen Augenblick innehalten. Die Sonne, die immer mal wieder aus den Wolken hervorlugte, zauberte glitzernde Reflexe auf die Wasseroberfläche und blendete die Augen. Es schien als würde flüssiges Gold auf den Wellen tanzen.

Weiter nach Norden führte uns die Strasse an der Küste entlang. Ich war gespannt auf die so berühmten Silver Sands of Morar – weiße Sandstrände, die das Wasser von der Sonne beschienen türkis aufblitzen lassen sollten. Als wir diese Strände passierten, regnete es in Strömen. Ich hätte mir denken können, dass sich die Sonne wieder zeigte, als die Strasse wieder einen Bogen ins Landesinnere einschlug. Na, die Strasse nach Mallaig war eine Sackgasse, so würden wir sicher auf der Heimfahrt Glück haben. Zunächst erwartete uns Mallaig. Und so kamen wir aus einsamer Berglandschaft in ein buntes, lebendiges Hafenstädtchen – ein Unterschied, für den man in Deutschland 800 km zurücklegen müsste. Die Küste der Isle of Skye lag zum Greifen nahe, so als bräuchte man nur die Hand auszustrecken.

Bei einem faszinierenden Spaziergang durch den Hafen mit seinem bunten Garten aus Farben und Gerüchen konnten wir die Fähre von Skye einlaufen sehen, und gleich darauf eine Robbe, die ganz gemütlich nach etwas Essbarem Ausschau hielt. Nachdem auf diesen diskreten Hinweis hin auch unser Magen zu knurren begonnen hatte, stärkten wir uns mit einem Snack aus dem Reich des Meeres, das man hätte rauschen hören, wenn es nebenan nicht so geschäftig im Hafen zugegangen wäre. Auch auf der Rückfahrt waren die Silver Sands verregnet, doch man konnte das Blau des Meeres nun wenigstens erahnen.

Als wir auf unserem Rückweg am Loch Shiel anhielten, begann sich die Sonne gerade wieder aus ihrem Wolkenmantel zu befreien und tauchte die breite Ebene in ein fast unwirkliches Licht, und mittendrin fiel der Blick natürlich sofort auf das Denkmal des unbekannten Highlanders, das daran erinnern soll, wie Bonnie Prince Charlie im Jahre 1745 hier die Clans um sich versammelte, um auf den Thron Schottlands zurückzukehren.

Auch an jenem Tag waren wieder Vorbereitungen an diesem geschichtsträchtigen Ort in Gange, dieses Mal allerdings nicht für einen Aufstand, sondern für die hiesigen Highland Games, die am nächsten Morgen hier beginnen sollten. Doch wir würden um diese Zeit bereits auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel sein – Inverness an der Ostküste Schottlands. Nachdem dann auch der Fototermin für die Fahrt des historischen Zuges „The Jacobite“ über das dort befindliche Viadukt hinter uns lag, machten wir uns wieder auf den Rückweg nach Fort William. Das Wetter bot uns einen fast blauen Himmel, wodurch ein außerplanmäßiger Stop in einem Industriegebiet notwendig wurde, um den Ben Nevis – höchster Berg Großbritanniens – einmal ohne sein typisches Wolkenmützchen zu erwischen.

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Der Morgen des 21.August 2004 bedeutete für uns den Aufbruch in Richtung Osten, und den Abschied vom Westen des Landes, jedoch in der Gewissheit, in drei Tagen zurückzukehren! Unser Weg führte uns durch das Great Glen – das Große Tal, das sich quer durch das Land zieht. Wie Smaragde eingebettet in grünem Samt liegen hier vier lang gestreckte Lochs, die alle miteinander durch den künstlich geschaffenen Caledonian Canal miteinander verbunden sind. Man sagt, es sei eine beliebte Strecke für kleine Segler, die sich auf dem Weg von Schweden nach Irland befinden. Die einzige Schwierigkeit auf diesem sicher reizvollen Weg, aber auch sicher eine kleine Herausforderung sind die zahlreichen Schleusen, von denen sich in dem kleinen Touristendörfchen Fort Augustus ganz besonders viele finden. Ein beliebter Ort, der von jedem Bus angefahren wird, der sich auf Schottland-Rundreise befindet. Es ist allerdings schon sehr interessant, den Hobby-Seglern dabei zuzuschauen, wie sie ihr Boot von Schleuse zu Schleuse schleppen.

Fort Augustus liegt an der Südspitze von Loch Ness, an dessen Ufer wie schließlich weiterfuhren, allerdings ohne dabei Nessie zu begegnen…

Schon nach kurzer Zeit gelangt man auf diesem Weg schließlich zum Urquart Castle, wohl einem der berühmtesten und beliebtesten Fotomotive in Schottland. Es ist zwar eine Ruine, aber sicher eine der am besten ausgebauten und für den Tourismus hergerichteten. Dementsprechend überlaufen war es dort natürlich auch. Immer mehr Menschen strömten die enge Wendeltreppe zum Burgturm hinauf und sahen dann verwundert, dass es ja oben nicht weiterging und somit niemand mehr vorwärts oder rückwärts gehen konnte. Gefangen in der Burg – wahrscheinlich brauchen manche das Gefühl, eingesperrt zu sein… Interessant wäre es geworden, wenn Nessie in diesem Moment ihren Kopf aus dem plätschernden Wasser gesteckt hätte.

Weiter folgten wir dem lang gestreckten Loch in Richtung Nordosten, bis wir schließlich auf den River Ness trafen, der die natürliche Verbindung zwischen dem See und dem Moray Firth, einem Meeresarm, herstellt. Schließlich erreichten wir unser Ziel – die Hauptstadt der schottischen Highlands – Inverness, was übersetzt aus dem Gälischen soviel  heißt wie „Mündung des Flusses Ness“.

Unsere Unterkunft, ein hübsches, großes Stadthaus in einer Straße, die sich direkt an das Flussufer schmiegte. Während wir an jenem Abend auf der Suche nach etwas Essbarem waren, senkte sich die Nacht über die Stadt. Den Fluss konnte man nur noch an den Stellen sehen, an denen sich die Lichter seines Ufers im leise strudelnden Wasser spiegelten. Es war der friedliche Beginn einer ruhigen Nacht, die uns die Kraft geben sollte für den nächsten Tag.

Zurueck

22.August 2004. Dieser Tag sollte uns zunächst einmal in die Geschichte des Landes zurückführen, das wir bereisten und intensiv kennenlernen wollten. Wir hatten uns vorgenommen, das Schlachtfeld von Culloden zu besuchen, wo sich so ziemlich alles entschieden hatte, was das heutige Schottland ausmachte. Hier hatte 1746 die letzte Schlacht der Schotten gegen die Engländer stattgefunden, angefangen mit  einem verzweifelten Streben nach Unabhängigkeit, geendet mit einer vernichtenden Niederlage für die schottische Armee und dem drohenden Verlust ihrer Kultur.

Ich war froh, dass die Sonne schien, als wir nach der Besichtigung der Ausstellung im Besucherzentrum nach draußen traten und uns dem Schlachtfeld zuwandten, denn das helle Licht, was auf die Heide brannte, ließ alles sehr friedlich erscheinen. Das, was hier vor mehr als 250 Jahren geschehen war, legte ohnehin einen Schleier auf diesen Ort. Am 16.April 1746 standen hier 5000 Schotten, die nach einem Gewaltmarsch müde und erschöpft waren, ungefähr doppelt so vielen englischen Soldaten gegenüber. Gefangene wurden keine gemacht, sondern Fliehende wie auch Verletzte, sogar Bauern auf den umliegenden Feldern wurden erbarmungslos niedergemetzelt. Mit dem nachfolgenden Verbot der  Tartans, Dudelsack und der gälischen Sprache begann der Niedergang der damaligen schottischen Hochland-Kultur.

In brütender Sonne wanderten wir über das gesamte Schlachtfeld von der gelben Fahne, die den Standort der Engländer markierte bis zum roten Fähnchen für die Schotten. Dabei passierten wir die schlichten Steine am Rand des Feldes, manche verwittert und von Moos und Heide überwuchert, doch noch immer viele mit frischen Blumen bedacht – die Steine mit den Namen der Clans.

Unser weiterer Weg führte uns an jenem Tag auf den so genannten Whisky-Trail, der südlich von Inverness beginnt und die Besucher von einer Brennerei zur nächsten geleitet. Natürlich gehört der Besuch einer solchen Whisky-Destillerie dazu, wird dort doch  nach wie vor das „Wasser des Lebens“, wie der Whisky übersetzt heißt, hergestellt. Wenn sich eines überhaupt nicht geändert hat ist es das Herstellungsverfahren und die Hauptrolle von zwei simplen Dingen: Gerste und reines Quellwasser.

Es war klar, dass wir an dem folgenden Tag (23.August 2004) eine Ruhepause und einen Shopping-Tag einlegen mussten…

Zurueck

24.August 2004. Auch an diesem Tag befanden wir uns auf einem Ausflug in die schottische Geschichte, doch dieses Mal ging es noch viel weiter zurück. Die Clava Cairns, nicht weit von Inverness entfernt freuten sich über unseren Besuch an diesem Morgen. Mitten zwischen sanften Landschaften und kleinen Dörfern gelegen, die mit bunten Bauerngärten wahre Farbkleckse in der in allen Grünschattierungen glühenden Hügellandschaft, werden diese Grabkammern nicht von Haupttouristenströmen angesteuert. Es sind große Steinhügel, angehäuft mit hunderten oder wohl tausenden fußballgroßen grauen Felssteinen, umgeben von manchmal mannshohen Felsen, die einen Kreis um die jeweilige Grabkammer bilden. Es wird wohl geschätzt, dass diese ein bisschen wie das berühmte Stonehenge anmutenden Stätten um 1800 vor Christus erschaffen worden sind. Nicht nur einmal dachten wir daran, was die Steine wohl alles erzählen würden, wenn Sie sprechen könnten…Sanft neigten sich die Vogelbeerbäume über diesen Ort, als wir ihn verließen, ganz so, als wollten sie die bemoosten Zeugen der Zeit vor neugierigen Blicken beschützen.

Auf unserem Weg durch die endlosen, beinahe kargen Weiten der nie enden wollenden Bergtäler gelangten wir schließlich wieder an die Westküste Schottlands.

Unserem Hüpfer auf die nah bei der Küste liegende Insel Skye stand nun nichts mehr im Wege, doch bevor wir die neue Brücke dorthin über den Kyle of Lochalsh überquerten, war ein Halt an dem meistfotografierten Schloss „unvermeidbar“. An diesem Anblick, der auch schon so vielen Filmen als atemberaubende Kulisse gedient hat wie Büchern als Titelbild, kommt man nicht einfach so vorbei. Direkt an der Strasse befindet sich das Eilean Donan Castle, welches noch bewohnt und gut ausgebaut ist. Genauso gut ist es natürlich auch besucht von so ziemlich jedem, der auf dem Weg zu den Äußeren und Inneren Hebriden ist. Doch obwohl alles sehr touristisch gehalten ist, gibt es wohl kaum ein Motiv, das außerhalb von Schottland als noch schottischer gelten würde. Neben dem Schloss selber warfen auch die schwarzen Berge und grauweißen Wolken ihre Spiegelbilder in das Wasser, von welchem das Schloss umgeben ist, und zusammen mit dem gemächlich dahin treibenden Seetang hätte dieses Bild, das dort auf den sanften Wellen schwamm, sofort als impressionistisches Kunstwerk durchgehen können.

Bald darauf konnte man die erst 1995 erbaute Brücke sehen, die sich wie eine Brücke aus Bauklötzen in gemächlichem Bogen über die Meerenge zwischen der Insel Skye und dem Festland schwingt. Wenig später befanden wir uns schon auf ihrem höchsten Punkt, nur um sich dann abwärts rollen zu lassen und auf der Insel zu landen! Es heißt, Skye sei die Schönste aller Inseln hier vor der Westküste und irgendetwas hat sie wirklich an sich – wer einmal hier war, kommt zurück.

Wenn man gerade erst die Brücke überquert hat, fühlt man sich nicht zwangsläufig so, als sei man auf einer Insel angekommen. Manche Brücken auf dem Festland, die uns auf die andere Seite eines Flusses bringen, sind breiter. Dennoch ist Skye eine Welt für sich. Je weiter man schließlich nach Norden vordringt, desto wilder und unwirklicher wird die Landschaft. Man kommt von den felsigen und urwaldartig bewachsenen Küsten im Süden vorbei an einer faszinierenden Bergkette in der Mitte der Insel in den immer dünner besiedelten Norden mit seinen Steilküsten und unzähligen Naturwundern. Einer der Gründe, die bei einer Schottland-Rundtour dringend für Skye sprechen, ist, dass die Insel unzählige Wunder zu bieten hat und trotzdem überschaubar bleibt. Das macht die Insel mit den Schmetterlingsflügeln atemberaubend und trotzdem unkompliziert.

Unsere Unterkunft befand sich weitab von allem Trubel (wenn es hier überhaupt so etwas wie Trubel gibt), an einer Sackgasse vor den Toren der Hauptstadt Portree, dem „Königshafen“,

 mitten zwischen sanft gewellten Hügeln, die von den tausenden Heideglöckchen auf ihren Hängen zart gerötet waren. Von unserer Gastgeberin wurden wir so lieb und herzlich begrüßt, dass man sich hier wirklich zu Hause fühlen konnte, um all die Schönheiten ohne Stress zu genießen.

Ich hätte mir keinen idyllischeren und friedlicheren Ort auf der Welt vorstellen können, als wir am Abend nach dem Essen noch einen kleinen Spaziergang durch die Hauptstadt machten, die nach unseren Maßstäben wohl nur ein mittleres Dorf darstellen würde, und am Hafen landeten. Hier lagen die Boote wie bunte Spielzeuge in der Bucht und es war, als wollte die Sonne uns noch einmal eindringlich daran erinnern, das morgen ein wunderschöner Tag werden würde, als sie ihr Gold auf den gegenüberliegenden Bergen ausschüttete. Ob wir ihr glauben konnten? Der Abend war jedenfalls durch und durch zauberhaft und das einzig hektische an dieser Szene waren die ewig streitenden Möwen. Wir brauchten eine Weile, um herauszufinden, dass die braunen Möwen die Jungtiere darstellten, die anscheinend besonders lautstarker Anleitung bedurften.

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Am Morgen des 25.August 2004 bekamen wir unser reichhaltiges und köstliches Frühstück in unserem Wohnzimmer mit Blick auf die kleine Bucht zwischen Skye und der Insel Raasay serviert, über der die Sonne strahlte… Konnte ein Tag denn schöner und viel versprechender beginnen als dieser?

Wir hatten zwei ganze Tage auf der Insel und wollten an dem ersten Tag die nördliche Hälfte erforschen und am nächsten Tag in den Süden vorstoßen. So fuhren wir von Portree immer weiter in Richtung Norden, welche einzige Straße immer dicht an der Küste entlang führte. Wir passierten den „Old Man of Storr“ und seine Familie aus weiteren schwarzen Basaltsäulen, die hier wie Leute an einer Bushaltestelle auf die Dinge warteten, die da kommen sollten, oder einfach nur die herrliche Landschaft betrachteten… Tatsächlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass dieser Anblick jemals langweilig werden könnte, selbst wenn man schon seit mehreren Millionen Jahren dort stand…Die Sonne strahlte durch weiße Wolkenfetzen, die aussahen wie Schneeflocken, hindurch und man konnte sich nicht entscheiden, was blauer war – der Himmel oder das Meer, welches sich tief zu unseren Füßen ausbreitete. Hinter dem glitzernden blaugoldenen Teppich konnten wir messerscharf die Bergspitzen der vorgelagerten Inseln Raasay und Rona sehen, dahinter vielleicht sogar die Küste des schottischen Festlandes.

Immer wieder gab es Parkplätze an Aussichtspunkten, an denen man auch immer wieder dieselben Reisenden traf, nur in verschiedenen Abständen… Das tat natürlich der Faszination dieses Ausflug keinerlei Abbruch, denn ich konnte es einfach nicht fassen, obwohl ich es doch mit eigenen Augen sehen konnte. Dieses Wetter, das die wilde Schönheit der Insel in ein strahlendes Gemälde verwandelte, überstieg mein Vorstellungsvermögen. Das sollte die Insel sein, deren zahlreiche Namen in verschiedenen Sprachen alle von Nebel und Wolken kündeten? Sie war an diesem Tag wie ein Smaragd in blauem Samt gebettet, überflutet von goldenem Licht.

Wir wanderten an der Steilküste entlang, stapften nur wenige Schritte entfernt vom Abgrund durch weiches Gras und Heidekraut, welches manchmal von der Wappenblume des Landes begleitet wurde – der Distel. Immer lag uns das Meer zu Füßen und man hätte am liebsten die Arme ausgebreitet und sich vom Wind der Sehnsucht hinaus aufs blaue Meer treiben lassen. Im Wind der Freiheit schweben wie die kreischenden Möwen hoch über unseren Köpfen… Ja, man bekommt schon seltsame Gedanken, wenn man so nah an einem Abgrund steht – und noch dazu an einem so schönen…

Am Kilt Rock, einem Felsen, der aus erstarrtem Basalt die verblüffende Form dieses Kleidungsstücks erhalten hat, wehte der Wind uns feine Tröpfchen ins Gesicht, die von einem Wasserfall stammten, der über die rötlichen Felsen seinem Ursprung zustrebte. Während seine winzigen Perlen dem Grund der Klippe zustürzten, den sie wohl nie erreichen würden, glitzerten sie in allen Farben des Regenbogens, ihr Inneres von zärtlichen Sonnenstrahlen erleuchtet.

Ungefähr genau an der Nordspitze der Insel fand sich eine Ruine, die fast nur noch ein Steinhaufen war, dem man seine künstliche Herkunft deutlich ansah. Von hier hatte man einen herrlichen Blick auf die berauschendsten Farbspiele jenseits des Regenbogens. Zu dem leuchtenden Blau in allen Schattierungen gesellte sich hier an dem von der Ebbe freigelegten Stück Meeresboden das fast schon unnatürlich strahlende gelb-grün der Algen, die dort der Sonne preisgegeben waren.

Auf unserem Weg in Richtung Dunvegan Castle, über das wir unsere Rückfahrt antreten wollten, besuchten wir noch ein interessantes Freilichtmuseum über das Leben auf der Insel vor ca. 150 Jahren, sowie das Grab von Flora MacDonald. Diese Frau hatte einst Bonnie Prince Charlie

nach der verheerenden Niederlage in Culloden zur Flucht verholfen.

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26.August 2004. Nachdem uns der vergangene Tag mit einem wahrhaft königlichen Wetter verwöhnt hatte, machte die Insel an diesem Morgen ihren Namen alle Ehre. Grau und tief hingen die Wolken über der Heide und berieselten sie mit kühlem Nass. Das hinderte uns jedoch nicht daran, den südlichen Teil der Insel zu bereisen und dem Zentrum des zweiten großen Clans – der MacDonalds – zu besuchen. Nachdem wir gestern einen Spaziergang durch den hübschen Garten des Dunvegan Castle – Stammsitz der MacLeods – gemacht hatten, wandten wir uns an diesem Tag also dessen Rivalen zu. Es heißt, die beiden Clans hätten sich schon immer bekämpft und dass es heutzutage kaum anders sei, nur dass es in diesen Tagen darum ging, sich gegenseitig die Touristen abzuwerben…

Ein Tag im Regen, an der Küste bei Armadale kämpften die Elemente miteinander wie einst die Clans, indem es hier Wasser von oben schüttete und das Meer gegen die Felsen brandete.

Den Abend dieses Tages verbrachten wir am flackernden Kaminfeuer, während die eiskalten Regentropfen vom Sturm gegen die Fensterscheiben getrieben wurden und dort hinunterrannen. Wie Tränen über unseren Abschied, denn es war unser letzter Abend auf Skye. Doch so wie der Regen aufhörte, versiegten auch die Tränen, denn wir werden zurückkehren!

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